Die Psychologie des Schenkens

Auch wenn der weihnachtliche Geschenke-Wahnsinn schon hinter Ihnen liegt, lohnt es sich trotzdem, heute ein wenig über das Schenken nachzudenken. Heute am Dreikönigstag ist schließlich auch der Geburtstag des Weihnachtsgeschenks. Die heiligen drei Könige haben ja sozusagen das Weihnachtsgeschenk erfunden, als sie dem kleinen Jesus ihre Gaben brachten. Manchmal wünsche ich mir, sie hätten das mit dem Schenken damals gelassen! Dann hätten sie uns heute einiges an Zeit, Nerven und Arbeit erspart und die Adventszeit wäre auch wesentlich entspannter!

Insgesamt klingt Schenken nach einer ziemlich schlechten Investition: Man investiert Zeit, Geld und Kreativität und weiß nicht, was man dafür zurückbekommt. Manchmal bekommt man gar nichts und oft genug etwas, das man eigentlich nicht haben will und dann noch nicht mal loswerden kann.

Glücklicherweise denken wir aber nicht immer in so rationalen Kategorien wie Investition und Gewinn. Kennen Sie das Gefühl, wenn Sie ein richtig tolles Geschenk für jemanden gefunden haben? Die Vorfreude und Aufregung, das warme Gefühl und das Hinfiebern auf den Moment, in dem man endlich das Geschenk überreichen kann? Das ist doch schonmal ganz schön gut oder? Eigentlich fühlt es sich doch immer gut an, jemandem etwas zu schenken! Das zeigt sich auch in unserem Gehirn: Neurowissenschaftler konnten nachweisen, dass beim Schenken der Belohnungs-Botenstoff Dopamin ausgeschüttet wird und im Gehirn Areale aktiviert werden, die mit positiver sozialer Interaktion verbunden sind. Schenken bringt uns einander näher und dient dazu, Beziehungen zu stärken und die Gemeinschaft zusammen zu halten.

Schenken als Kommunikation

Was das Schenken so schwer macht, ist, dass es nicht einfach nur ein Austausch von Gütern ist, sondern auch Kommunikation. In einem Geschenk steckt auch immer eine Botschaft und es sagt etwas über die Beziehung zum Beschenkten aus. Ein Geschenk ist damit ein zum Objekt gewordenes Symbol der Beziehung - schluck! -schwerwiegender geht es kaum. Ein zum Objekt gewordenes Symbol der Beziehung? Wie soll ich denn sowas im Geschäft finden? Also Socken scheiden damit schonmal aus.

Optimal wäre ein persönliches Geschenk, das zeigt, dass man den Beschenkten und die Beziehung zu ihm wertschätzt, das am besten noch verknüpft ist mit einer gemeinsamen Erinnerung, und dann soll es bitteschön noch etwas sein, mit dem der Beschenkte etwas anfangen kann. Aber ehrlich gesagt, so ein Geschenk ist schwer zu finden! So eine Geschenkidee sollte man als Glücksfall ansehen, aber man kann sie nicht für jede Gelegenheit erwarten. Für die Fälle, in denen die Idee für das perfekte Geschenk fehlt, habe ich hier ein paar Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung zusammengestellt, die helfen trotzdem ein Geschenk mit Freu-Garantie zu finden.

Zwei Missverständnisse beim Schenken

Unterschiedliche Ansprüche von Schenkenden und Beschenkten

Schenken ist also ein Akt der Kommunikation. Aber da Kommunikation mit Objekten statt Worten ziemlich schwer und fehleranfällig ist, ist es nicht überraschend, dass es dabei Missverständnisse geben kann. Jeff Galak und seine Kollegen haben zahlreiche Studien zum Schenken und Beschenktwerden ausgewertet und machten dabei eine überraschende Feststellung, die im Nachhinein doch nicht so überraschend ist: Schenkende und Beschenkte haben unterschiedliche Erwartungen an ein Geschenk. Schenkende wählen Geschenke, die dem Empfänger in dem Moment, in dem er sie erhält, so viel Freude wie möglich bescheren, während Empfänger Geschenke bevorzugen, die ihnen über längere Zeit Freude bereiten. ¹ So wählen Schenkende eher Geschenke, die vollständig sind und direkt benutzt werden können, im Gegensatz zu Geschenken, die nur ein Teil von etwas sind, dafür aber hochwertiger und von besserer Qualität, wie etwa einen Mixer von geringerem Wert statt einem Zuschuss zu einem teureren Thermomix. Scheuen Sie sich also nicht, nur einen Teil von etwas zu schenken oder einen Zuschuss, der Empfänger wird sich mit Sicherheit trotzdem freuen und das wahrscheinlich noch für lange Zeit!

Es ist ok, nein sogar besser, zu fragen!

Schenken wäre so viel einfacher, wenn wir wüssten, was sich die andere Person wünscht! Trotzdem wird nur selten gefragt. Direkt nach Wünschen zu fragen ist oft ein Tabu, weil man befürchtet, als einfallslos angesehen zu werden, oder denkt, dass nur eine besondere Überraschung Freude bereitet. Dabei ist nach Wünschen zu fragen das Beste, was Schenkende tun können: Studien zeigen, dass Beschenkte sich mehr über etwas freuen, das sie sich gewünscht haben.² Während Schenkende vermuten, dass sich die Beschenkten genauso über etwas freuen werden, das nicht auf der Wunschliste steht, bevorzugen die Beschenkten Geschenke, die sie sich konkret gewünscht haben. Also bevor Sie sich stundenlang den Kopf zerbrechen, fragen Sie einfach!

Für die Gelegenheiten, in denen Ihnen die Zeit oder der Mut zum Fragen fehlt, hier ein paar wissenschaftlich fundierte Tipps, wie Sie auf relativ einfache Weise ein Geschenk finden, mit dem Sie dem Empfänger trotzdem eine Freude bereiten können.

Erlebnisgeschenke stärken die Beziehung

Schenken Sie ein Erlebnis: Konzertkarten, eine Wein- oder Whiskey-Probe, Karten für’s Museum oder Theater, einen Kochkurs oder ein gemeinsames Abendessen. Diverse Studien zeigen, dass Erlebnisgeschenke Beziehungen stärker festigen als materielle Geschenke und das unabhängig davon, ob das Erlebnisgeschenk gemeinsam eingelöst wird.³ Sie können Ihrer Mutter also Karten für’s Helene-Fischer-Konzert schenken und müssen noch nicht mal mitkommen, und sie hat Sie danach trotzdem noch ein bisschen mehr lieb (vorausgesetzt sie mag Helene Fischer). Den Autoren der Studien zufolge geht die Verbesserung der Beziehung auf die Emotionen zurück, die während des geschenkten Erlebnisses ausgelöst werden. Ein Erlebnis hat zudem den Vorteil, dass es zwar in Erinnerung bleibt, aber anschließend nicht mehr daheim rumsteht und Platz wegnimmt!

Gutscheine sind besser als ihr Ruf!

Oft  will man mit einem Geschenk auch einfach nur sagen: Tu dir was Gutes! Gönn dir einen kleinen Luxus! Dafür eignen sich Gutscheine anscheinend besonders gut. Chelsea Helion und ihre Kollegen haben herausgefunden, dass Gutscheine häufig eingelöst werden, um sich etwas zu kaufen, was man sich sonst nicht leisten würde. 4 Anders als Geld liefert der Gutschein eine Rechtfertigung für den Luxus-Kauf.

Gutscheine scheinen also sowohl für Schenkende als auch Beschenkte eine gute Lösung zu sein! Aber warum verfallen dann so viele Gutscheine oder verstauben in der Schublade? Das liegt daran, dass die Gutscheine oft sehr spezifisch sind und einer bestimmten Gelegenheit oder einem Geschäft zugeordnet sind. Mary Steffel konnte in mehreren Studien zeigen, dass Schenkende oft Dinge aussuchen, die persönlich sind aber auch sehr speziell, weil sie sich auf die Persönlichkeit und allgemeinen Vorlieben des Empfängers konzentrieren statt auf seine aktuellen Wünsche und Bedürfnisse. 5 Gutscheine, die vielseitig einsetzbar sind und dem Empfänger mehr Freiraum lassen, werden daher eher eingelöst.

Wie wär’s zur Abwechslung mal mit Worten?

Mit einem Geschenk sagt man also auf sehr unkonkrete Weise, was einem die andere Person bedeutet. Auch wenn uns die Werbung jahrelang antrainiert hat, dass wir es doch einfach mit Pralinen, Blumen oder Schmuck sagen sollen (was sagt man dann eigentlich Männern mit Socken, Krawatten und Bohrmaschinen?), geht es doch am besten und direktesten mit Worten. Also schreiben Sie doch einfach eine Karte: die kostet nicht viel, höchstens etwas Überwindung, kann sogar schnell selbst gebastelt werden, und Sie können damit genau das sagen, was sie wollen. Falls Ihnen Gutscheine oder etwas von der Wunschliste zu unpersönlich oder unoriginell vorkommen, können Sie sie mit einer Karte aufpeppen und personalisieren. Überlegen Sie sich einfach, was Sie mit dem Geschenk sagen wollen und schreiben Sie es auf die Karte. Das muss nicht viel sein. Es reicht zu schreiben “Schön, dass es dich gibt!” oder “Ich bin froh, dass ich dich hab!” und schon sind Sie wieder einen Schritt näher am perfekten Geschenk!

Die Verantwortung des Beschenkten  

Und wenn Sie das nächste Mal jemand fragt, was Sie sich wünschen, lassen Sie die falsche Bescheidenheit einfach weg, und sagen Sie nicht so etwas wie “Du musst mir doch gar nichts schenken!” - Wann hat das denn jemals funktioniert? Tun Sie sich selbst und dem Schenkenden einen Gefallen und äußern Sie einen konkreten Wunsch oder schicken Sie ihm Ihre Wunschliste. Als Belohnung bekommen Sie dann ein Geschenk, über das Sie sich freuen, während der Schenkende sich nicht den Kopf darüber zerbrechen muss, was er jemandem schenken kann, der gar nichts will. Und wenn Sie das Geschenk dann bekommen, sagen Sie einfach mal “Danke” und freuen sich statt “das wäre doch gar nicht notwendig gewesen”’. Das ist nämlich etwas, was Schenkende eigentlich gar nicht hören wollen, oder bekommen Sie gerne gesagt, dass es unnötig war, dass Sie sich so viel Mühe gegeben haben?

Also ich bin jetzt schon viel entspannter, was das Schenken angeht, und ich hoffe Sie auch! Manchmal kann Forschung doch erstaunlich nützlich sein!

 

Verweise