Selbstoptimierung im Duden

Vor kurzem ist mir aufgefallen, dass Selbstoptimierung jetzt auch im Duden steht. Ich weiß nicht, wie lange es schon drin steht, vielleicht hatte ich es bisher einfach übersehen. Mittlerweile habe ich aber nachgelesen, was der Duden zu Selbstoptimierung schreibt, und ich muss sagen, ich war ziemlich überrascht. Laut Duden bedeutet Selbstoptimierung:

"jemandes freiwillige (übermäßige) Anpassung an äußere Zwänge, gesellschaftliche Erwartungen u. Ä." ¹

Die Bedeutung im Duden reduziert Selbstoptimierung also auf die Anpassung an die Gesellschaft. Vom Motiv sich selbst zu verbessern und dem Prozess der Optimierung ist keine Rede. Die Definition des Dudens spiegelt die negative Wertung, die Selbstoptimierung bekommen hat, deutlich wider.

Ich wüsste zu gerne wie diese Bedeutungszuschreibung genau zustande gekommen ist, aber auf eine Anfrage beim Duden habe ich bisher noch keine Antwort erhalten. Auf seiner Homepage weist der Duden darauf hin, dass er sich auf die allgemeinsprachliche Bedeutung, also darauf, wie der Begriff im normalen Sprachgebrauch benutzt wird, beschränkt und bei Fachbegriffen nicht unbedingt alle Facetten eines Begriffs abbildet: "Bei Wörtern, die aus der Fachterminologie in den allgemeinen Wortschatz übernommen wurden, wird keinerlei enzyklopädische Vollständigkeit angestrebt. Die allgemeinsprachliche Bedeutung dieser Wörter kann sich gegenüber der fachlichen verändert haben." ² Das ist genau beim Begriff Selbstoptimierung der Fall. Ursprünglich war es ein Fachbegriff, der in den Neuro- und Computerwissenschaften verwendet wurde, jetzt ist der Begriff aber in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Damit dokumentiert der Eintrag im Duden die Veränderung, die der Begriff genommen hat: vom Fachbegriff für Organisationsprozesse in Computer- und neuronalen Netzen hin zur unschönen Diagnose unserer Zeit.

Diese Bedeutungsverschiebung und dass sie es so bis in den Duden geschafft hat, macht auch klar, dass der Begriff Selbstoptimierung nicht mehr neutral zu gebrauchen ist. Die Wertung schwingt immer mit, ob man will oder nicht. Selbstoptimierung ist regelrecht zum Schimpfwort geworden. Manchmal mache ich mir etwas Sorgen, ob ich deswegen mit meinen Texten zu Selbstoptimierung und meinem Experiment für etwas stehe, für das ich gar nicht stehen will, nämlich für diese Schimpfwort-Version von Selbstoptimierung. Alles, was ich hier schreibe, basiert aber auf meiner neutraleren und offeneren Definition von Selbstoptimierung. Ich will damit keinesfalls leugnen, dass Selbstoptimierung ihre Schattenseiten hat, sondern lediglich hervorheben, dass der Prozess der Selbstoptimierung an sich neutral ist. Die negative Wertung hat der Begriff erst im Nachhinein erhalten. Wer weiß, vielleicht kann man den Begriff auch irgendwann wieder neutral gebrauchen, oder wir haben noch mehr Glück und finden in der Auseinandersetzung mit Selbstoptimierung einen neuen Begriff und ein neues Leitwort, das ganz ohne negative Wertung auskommt.

Nachtrag vom 23. Januar 2018

Mittlerweile habe ich eine Antwort von der Duden-Redaktion erhalten. Auf meine Anfrage hin wurde die Definition von Selbstoptimierung etwas verändert und lautet jetzt:

"jemandes [übermäßige] freiwillige Anpassung an äußere Zwänge, gesellschaftliche Erwartungen oder Ideale u. Ä."

Neu hinzugekommen zur Definition ist damit die Anpassung an (gesellschaftliche) Ideale. Das ändert zwar nichts an der negativen Wertung, die weiterhin mitschwingt, mildert sie aber etwas ab und macht die Definition umfassender und breiter.

 

Verweise

Foto von Romain Vignes auf Unsplash