Paradoxes Amerika

Amerika kann ganz schön paradox und widersprüchlich sein, vor allem wenn es um Regeln und Gesetze geht: auf der einen Seite gibt es das Waffengesetz, das so locker ist, dass es mir Angst macht, auf der anderen Seite gibt es Regeln und Verbote, die mir übertrieben vorkommen, etwa dass man nicht einfach so eine unbedeckte Bier- oder Weinflasche draußen rumtragen darf. In den letzten Wochen gab es ein paar Situationen, in denen ich mit diesen Widersprüchlichkeiten konfrontiert wurde. Besonders eine Begebenheit war so paradox, dass ich hier davon erzählen muss.

Heute im Angebot: Sturmgewehre und Munition


Es hat ganz harmlos mit dem abendlichen Gang zum Briefkasten angefangen. Was ich im Briefkasten fand, hat mich allerdings schockiert: Ein Prospekt voller Waffen und Munition. Bei genauerem Hinsehen habe ich zwar erkannt, dass es sich “nur” um Sportwaffen und Waffen zur Jagd handelt, aber die können immer noch genug Schaden anrichten.

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Eigentlich bekommt man hier im Silicon Valley nicht viel vom amerikanischen Waffenwahnsinn mit und es fällt leicht, so zu tun, als existiere er nicht. Wahrscheinlich hat mich der Prospekt deshalb so unvorbereitet getroffen.

Übertriebene Warnungen


In meinem Alltag treffe ich sonst eher auf Regelungen und Vorsichtsmaßnahmen, die mir nicht zu locker, sondern eher übertrieben vorkommen: Starbucks und Peets müssen vor Kaffee warnen. Es gibt Hinweisschilder wie dieses, das sich nicht etwa am Tor einer Chemiefabrik sondern am Eingang zu unserer alten Wohnanlage befand

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oder dieses, das die Übertragung von Krankheiten verhindern soll.

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Bei dieser Sammlung von Verbotsschildern am Eingang zu einem Spielplatz, habe ich mich gewundert, dass das Spielen selbst nicht verboten war.

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Kalaschnikows für Kinder


Aber nochmal zurück zu den Waffen: Wie sehr sie in anderen Teilen Amerikas Teil der Realität sind, ist mir aufgefallen, als wir vor kurzem zum Yellowstone Nationalpark gefahren sind. In den vielen kleinen Orten in Nevada, Idaho, Montana, Wyoming und Utah, durch die wir gefahren sind, sind wir öfters an Waffengeschäften vorbeigekommen. Außerdem gab es am Eingang von vielen Gebäuden Schilder, die darauf hinwiesen, dass das Tragen von Waffen im Innern des Gebäudes nicht erlaubt sei.

Während unserer Reise haben wir ein paar Tage in West Yellowstone übernachtet, einer Kleinstadt in Montana, die direkt an den Yellowstone Nationalpark angrenzt. Eine der Hauptattraktionen des Ortes war eine Schießanlage, die damit warb, dass man dort vom Colt bis zu Uzi und Kalaschnikow alle möglichen Waffen ausprobieren und seine Lieblingsfilme nachspielen könne. Schießstände gibt es in den USA ja überall, mir war allerdings vorher nicht bewusst, dass dort auch Kinder schießen dürfen. In West Yellowstone können jedenfalls auch Kinder ab 12 Jahren Waffen ihrer Wahl ausprobieren.


Glücksspiel verboten!


An einem der Tage in West Yellowstone schneite es so sehr, dass wir nicht in den Nationalpark konnten. Um die Zeit zu überbrücken gingen wir in ein Pub zum Mittagessen. Wie immer hatten wir einen Rucksack mit Spielsachen und Spielen dabei, um meinem Sohn die Wartezeit zu verkürzen. An diesem Tag hatte er Lust auf Memory. Wir waren fast damit fertig, die Karten des Dino-Memories auszulegen, als die Kellnerin an unseren Tisch kam und uns mitteilte, dass Glücksspiel hier verboten sei und wir die Karten bitte wegpacken sollen. Als ich sie darauf hinwies, dass wir lediglich mit einem Kind Memory spielen wollten, erwiderte sie, dass das keine Rolle spiele und dass alle Kartenspiele hier verboten seien. Ich wusste nicht wirklich, wie ich meinem bitter enttäuschten, weinenden Kind erklären sollte, warum wir kein Memory spielen durften. Es fiel mir ja selbst schwer, zu begreifen, warum uns das Memory-Spielen verboten wurde, während keine 500m Luftlinie von uns Erwachsene und Kinder ganz legal und nur so zum Spaß mit Maschinen- und Sturmgewehren schießen durften.


Ich weiß, ich werfe hier Dinge zusammen, die nicht zusammengehören: Waffen, Glücksspiel, Kaffee und Spielplätze. All diese Regelungen haben natürlich einen unterschiedlichen Ursprung. Das Waffengesetz geht auf die Pionierzeiten zurück, als jeder noch in der Wildnis auf sich selbst gestellt war und sich gegen alles mögliche verteidigen musste, während die (übertriebenen) Warnschilder wohl eher aus der Angst entsprungen sind, verklagt zu werden. Trotzdem stehen sie heute alle nebeneinander und wollen gleichzeitig gelten, kein Wunder, dass es da ab und zu zu Widersprüchlichkeiten kommt, die den Verstand herausfordern.