Was sagen, wenn man nicht weiß, was man sagen soll?
Neulich ist es mir wieder passiert. Ich saß einer Freundin gegenüber und es gab eine Stille, die einfach nicht aufhören wollte, weil es mir nicht gelang, sie zu brechen. Ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte. Meine Freundin hatte mir gerade erzählt, dass ihr Hund in den nächsten Monaten sterben wird, und es war ihr deutlich anzusehen, wie nahe ihr das ging. Ich hätte ihr so gerne etwas gesagt, was die Situation leichter für sie macht, etwas, das sie sich besser fühlen lässt, und am besten etwas, das alles wieder gut macht. Stattdessen konnte ich nur “Das tut mir so leid!” sagen und blieb ansonsten stumm.
Was soll man sagen, wenn es eigentlich nichts mehr zu sagen gibt? Wie begegnet man einer Person, die gerade einen Schicksalsschlag verkraften musste? In solchen Situationen das Richtige zu sagen, ist schwer und wird wohl nie einfach werden, aber man kann es sich zumindest etwas leichter machen. Mir hat es zum Beispiel geholfen, mir zu überlegen, wie ich selbst behandelt werden möchte, wenn ich mit einem Schicksalsschlag zu kämpfen habe. Außerdem hat mir der Austausch mit anderen, darüber wie sie gerne in solchen Fällen behandelt werden möchten, mehr Sicherheit und vor allem Mut für solche schweren Begegnungen und Gespräche gegeben.
Wertvolle Anregungen und Informationen zu diesem Thema gibt es in Folge 140 von Gretchen Rubins Happier-Podcast (leider nur auf englisch). Gretchen Rubin und ihre Schwester Elizabeth Craft sprechen darin nicht nur über die richtigen Dinge, die man sagen kann, sondern auch über die falschen. Sie erzählen von ihren Erfahrungen, interviewen eine Frau, die einen schweren Schicksalsschlag erlitten hat, und teilen die Erfahrungen ihrer Zuhörer und Zuhörerinnen. Am Ende kommen sie zu dem Schluss, dass das Wichtigste ist, in irgendeiner Weise anzuerkennen, dass die Person etwas schlimmes durchmacht, zum Beispiel indem man etwas sagt. Dabei gibt es viele Wege, das Richtige zu sagen, ein einfaches: “Es tut mir leid, dass du das durchmachen musst!” reicht bereits. Der einzige wirkliche Fehler, den man laut Gretchen Rubin und Elizabeth Craft machen kann, ist das Leid des anderen zu ignorieren, aus Angst das Falsche zu sagen.
Update: Das sagt die psychologische Forschung dazu
Mittlerweile gibt es auch eine Studienreihe, die sich mit dem Thema befasst. Shawna Tanner und ihre Kolleginnen und Kollegen ließen in drei Studien Kinder, Studierende und Psychotherapeutinnen und -therapeuten einschätzen, wie tröstlich verschiedene Aussagen sind. ¹
Es ist tatsächlich nicht so einfach, das Richtige zu sagen - Das liegt aber daran, dass jede und jeder von uns andere Worte tröstlich findet
Zuerst untersuchten sie, als wie hilfreich Kinder zwischen 10 und 15 Jahren sechs verschiedene Tröstungsversuche ansahen, mit denen ein Kind versuchte, seinen Freund oder seine Freundin zu aufzumuntern. Die Tröstungsversuche verfolgten dabei unterschiedliche Unterstützungsstrategien: Mitgefühl zu zeigen, Optimismus zu verbreiten oder den Ernst der Situation herunterzuspielen. Dabei zeigte sich, dass die Kinder kaum darin übereinstimmten, welche Worte sie für tröstlich hielten. Keine der Unterstützungsstrategien stach besonders hervor.
Ähnlich sah es in der zweiten Studie aus, in der Studierende Trostversuche beurteilen sollten. Auch hier gab es keine Übereinstimmung zwischen den Befragten. Die Meinungen dazu, welche Aussage tröstlich ist, gingen auseinander. Die Übereinstimmung unter den Studierenden erhöhte sich auch dann nicht, wenn man sie nach ähnlichen Persönlichkeitseigenschaften aufteilte und die Untergruppen getrennt analysierte.
Vielleicht liegt es aber auch an der Methode, die die Studien verwendet haben, dass sich die Befragten nicht einig waren, welche der Aussagen Trost brachte. Über Trostversuche in Situationen zu lesen, die sich jemand ausgedacht hat, ist schließlich etwas anderes als ein richtiges Gespräch, in dem ein Mensch auf das Leid eines anderen reagiert. In der dritten Studie haben Shawna Tanner und ihre Kollegen und Kolleginnen deshalb untersucht, ob tröstende Worte in einem echten Gespräch anders beurteilt werden. Außerdem wollten sie untersuchen, ob Profis besser darin sind, die richtigen Worte zu finden. Dazu ließen sie 33 Psychotherapeuten und -therapeutinnen bewerten, wie ermutigend die Aussagen anderer Therapeuten und Therapeutinnen in Therapie-Lehrvideos waren.
Auch Profis finden nicht immer die passenden Worte
Aber auch hier zeigte sich, dass selbst die Worte der Therapeuten und Therapeutinnen nicht von allen als Trost bringend angesehen wurden. Ihre Kollegen und Kolleginnen waren sich uneinig, welche der Tröstungsversuche in den Videos hilfreich waren.
Die richtigen Worte, die wir alle als tröstend empfinden, scheint es also nicht zu geben und genauso wenig scheint es Personen zu geben, die immer das Richtige sagen. Welche Worte helfen und guttun, ist für jeden von uns anders. Um es mit den Worten von Christian Jarrett zu sagen, der für die British psychological society über die Studien geschrieben hat: Trost liegt in den Ohren des Getrösteten und nicht in den Worten selbst. ²
Natürlich braucht es noch mehr Forschung als diese drei Studien, die auch danach schaut, wie es in realistischeren Situationen, breiteren Stichproben und anderen Kulturen aussieht.
Es ist nicht so wichtig, was wir sagen. Wichtig ist, dass wir da sind
Fürs Erste zeigen uns die Studien von Shawna Tanner aber, dass es keinen Sinn macht, krampfhaft zu versuchen, das Richtige zu sagen, weil wir einfach nicht viel Einfluß darauf haben, ob das, was wir sagen, hilft. Viel wichtiger ist es, dass wir für die Person, die uns braucht, da sind und ihr Leid anerkennen. Selbst wenn sie nicht viel mit unseren Worten anfangen kann, weiß sie doch, dass jemand da ist, dem es nicht egal ist, wie es ihr geht. Oft genug muss man auch gar nichts sagen, sich Zeit nehmen, zuhören und eine Umarmung reichen auch.
Hier geht's zur Happier-Podcast-Folge:
https://gretchenrubin.com/podcast-episode/happier-140-vse-things-to-say
Weitere Beiträge zu Gretchen Rubin:
Gretchen Rubins Vier Tendenzen - Alles eine Frage der Erwartungshaltung
Verweise
Foto von Milada Vigerova auf Unsplash