Psychophilie

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Zwischenstand zum Lerchenexperiment und wie ich über die Ergebnisse berichte

Seit über drei Wochen fülle ich jeden Tag morgens und abends meinen Fragebogen aus. Bei der Planung habe ich oft darüber nachgedacht, wie ich über die Ergebnisse berichte. Lange Zeit war ich der Meinung, dass ich meine Angaben im Fragebogen direkt in Kurvendiagrammen auf dem Blog veröffentlichen sollte, damit man die Veränderung oder Nicht-Veränderung live beobachten kann. Kurz vor Beginn des Experimentes ist mir dann aufgefallen, dass das keine gute Idee ist, weil nicht nur alle anderen die Veränderungen beobachten können, sondern ich selbst auch.

Wenn ich mir den Verlauf der Werte ständig vor Augen führe, hat das möglicherweise einen Einfluss darauf, wie ich die Fragen beim nächsten Mal beantworte. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass sich mein Kontrollempfinden durch das frühe Aufstehen nicht verändert hat, könnte mich das dazu verleiten, die Fragen bewusst oder unbewusst so auszufüllen, dass sich eine Veränderung ergibt. Auf jeden Fall würde ich  den Fragebogen nicht mehr so unvoreingenommen ausfüllen wie ohne das Feedback durch die Ergebnisse. Um das zu verhindern, werde ich mir die Daten erst nach Abschluss des Experimentes anschauen.

Moment mal! Rückkopplung und Feedback sind doch ein Teil von Selbstoptimierung, so habe ich es selbst in meiner Definition geschrieben. Das Verhalten, das man verbessern möchte, wird dokumentiert und beobachtet, damit man genau sehen kann, ob man sich auf dem richtigen Weg befindet oder Korrekturen vornehmen muss. Ist es dann nicht kontraproduktiv oder dumm von mir, wenn ich dieses Feedback nicht anschauen will und es bewusst ignoriere? Das kommt darauf an, welchen Teil des Feedbacks ich ignoriere. Das Feedback zu meinem Selbstoptimierungsverhalten, also zum frühen Aufstehen direkt sollte ich mir anschauen. Einen Überblick darüber zu haben, wann ich aufstehe, wann ich ins Bett gehe und wie fit und wach ich mich tagsüber fühle, ist in der Tat wichtig für mein Vorhaben zur Lerche zu werden. Ich habe zum Beispiel festgestellt, dass ich zwischen 22:30 und 23 Uhr ins Bett muss, damit ich mich am nächsten Tag fit und ausgeruht fühle. Wenn ich ein paar Tage am Stück später ins Bett gehe, dann bin ich völlig übermüdet und kann nur noch ans Schlafen denken. Für die Kontrollvariablen, also Aufsteh- und Zubettgehzeit, Energielevel und Müdigkeit, ist es daher sinnvoll,  den Verlauf anzuschauen, aber nicht bei den abhängigen Variablen, also Stress, Kontrollempfinden, Glück und Zufriedenheit.

Zwischenstand

Es wird also wohl noch etwas dauern, bis die Ergebnisse da sind. Hier aber schonmal ein kleiner Zwischenstand, wie mir das frühe Aufstehen in der ersten Woche bekommen ist, mit Auszügen aus meinem Tagebuch zum Lerchenexperiment.

Tag 2:

Heute morgen bin ich brav um 6:29 Uhr aufgestanden und war erstaunt, wie viel Zeit ich plötzlich hatte. Dabei ist mir aber auch aufgefallen, dass ich nochmal genauer festlegen sollte, wie ich diese Zeit nutze.

Tag 4:

Ich bleibe weiterhin stark und bin jeden Morgen um 6:30 Uhr aufgestanden. Seltsamerweise schaffe ich es relativ problemlos, mich aus dem Bett zu schälen, wahrscheinlich weil ich mich dem Experiment verpflichtet fühle. Ich finde es fast schwerer, abends rechtzeitig ins Bett zu gehen, weil der Abend plötzlich verdammt kurz ist. Für heute habe ich mir den Wecker auf 22 Uhr gestellt, damit ich rechtzeitig ins Bett gehe und nicht wieder die Zeit aus den Augen verliere. Ich bin bisher noch nicht ganz überzeugt, ob mir das Frühaufstehen wirklich viel bringt, weil meine abendliche Arbeitszeit stark darunter leidet. Wenn ich mich abends an meinen Schreibtisch setze, bin ich meistens so müde, dass ich nichts wirklich Komplexes mehr machen kann, und die Gefahr, dass ich ins sinnlose Surfen gerate und mir Kosmetikprodukte kaufen will, die ich gar nicht brauche, steigt stark an.

Tag 7:

Heute morgen als der Wecker um 6:30 Uhr geklingelt hat, habe ich mich aufgesetzt, den Wecker ausgeschaltet, den Morgenfragebogen ausgefüllt und mich wieder hingelegt. Ich war einfach zu fertig. Außerdem ist mein Sohn durch den Wecker wach geworden und ich wusste, dass ich ihn nur wieder dazu bringen würde einzuschlafen, wenn ich mich zu ihm lege. Also habe ich das gemacht und nochmal bis 8 Uhr geschlafen. Und was soll ich sagen? Es hat verdammt gut getan und wahrscheinlich den Tag gerettet! Anschließend war ich erholt und ausgeruht und nicht mehr so erschöpft wie die letzten drei Tage, in denen ich einfach nicht genug geschlafen hatte, weil ich zu spät ins Bett bin oder nachts dank unseres lauten, rücksichtslosen Nachbars mehrmals aufgewacht bin. Morgen werde ich wieder um 6:30 Uhr aufstehen, aber heute musste ich einfach “ausschlafen”. Auch wenn man diesen Tag als Misserfolg im Experiment ansehen könnte, war er schon allein deswegen ein Erfolg, weil ich um 8 Uhr aufgestanden bin und trotzdem das Gefühl hatte, ich hätte richtig lange ausgeschlafen.   

Fazit nach einer Woche

Das frühe Aufstehen fällt mir leichter als erwartet und ich schaffe es jetzt tatsächlich, morgens pünktlich zu sein.  Es hat aber definitiv seine Schattenseiten, vor allem abends. Außerdem fühle ich mich nicht so, als hätte ich mehr Zeit, eher das Gegenteil ist der Fall, weil die Abende plötzlich so kurz und von Müdigkeit dominiert sind. Es besteht also noch Verbesserungsbedarf, vor allem muss ich mir überlegen, wie ich die Zeit morgens besser nutzen kann.

 

Verweise

Foto von Bryan Minear auf Unsplash